Texte von 1996/97
- Auszug meiner Pressemitteilung der Ausstellung in Köln 1996-97 „Zwischen Zero und Computerprogramm“. Zeichnungen seit 1970 (Galerie Brehm)
- Auszug des Textes von Jürgen Raap im Katalog von 1996/97 „Zwischen Zero und Computerprogramm.“
1)
„Alle Zeichnungen haben reduzierte, einfache Programme. Sie zeugen von der Illusion, dass mithilfe einer auf einfachste Aufgaben reduzierten Programmierung das Ursache-Wirkungs-Prinzip erkennbar zu machen sei. Das ist wegen der extremen Reduzierung teilweise möglich. In den Zeichnungen X, XI und XII z.B. bündeln sich die Dreiecke entlang einer Barriere zu einem dicken Zeichenstrang und auch, nachdem die Barriere nicht mehr vorhanden ist, bleibt im weiteren Additionsprozess diese Bündelung noch eine Weile bestehen. Nachvollziehbar ist auch, dass sich parallel zu diesem Geschehen entlang der Barriere noch 1x oder 2, 3x im Gewebe abgeschwächte Bündelungen in Form von Verschmälerung von Dreiecken bilden. Warum diese Verdichtungen sich aber gerade an diesen Stellen, warum nicht öfter, warum nicht stärker oder schwächer bilden, bleibt das Geheimnis, das sich hinter den zahlreichen minimalen, nicht bewussten, nicht erkennbaren Steuerungen im Gewebe verbirgt“.
„Ich bin keine Maschine“, sondern ein permanent beeinflussbares und reagierendes System. „Während der zeichnerischen Programmentwicklung entstehen permanent unbewusst und bewusst Korrekturen und Manipulationen. Das Bewusstsein ist – trotz Automatismus und Trendfolge – nicht ausgeschaltet. Im Zusammenhang wird das Bewusstsein bedingt und wirkt bedingend. In Konkurrenz zur Maschine sollen meine Zeichnungen, diese Mensch-Produkte, meine Wertigkeit demonstrieren. Komplexität, Kompliziertheit, Unberechenbarkeit in Konkurrenz mit Simplifizierung.“
„Sog. Fraktale, Begriff aus der Chaostheorie, wie ich seit Anfang der 1990er Jahre unbewusst im Gewebe entstandene Verdichtungen oder Veränderungen bezeichnen möchte, sind kein Zufall, sie sind gesetzmäßig entstanden.
Ich denke, bei meinen Arbeiten handelt es sich um „Nachahmung der Natur“. Ergebnis meiner zeichnerischen Demonstration von Gesetzmäßigkeiten sind archaische Formen, dramatische Formen, Falten, Rillen, Wölbungen, Löcher, Zusammenziehungen, Dehnungen – d.h. Formen, die zwangsläufig, notwendig entstanden sind.“ ( Auszug meines Textes im Katalog von 1996 )
2)
Jürgen Raap schreibt in seiner Besprechung von 1996/97: “…„Fraktale“ sind bei Schommer nicht aus ästhetischem Kalkül markiert…Vielmehr ergeben sie sich aus einer ähnlichen Logik, wie sich durch die Determination der anatomisch funktionalen Konstruktion eines Knie- oder Ellenbogengelenks eine ganz bestimmte Bewegung in die Faltenbildung bei dem Kleidungsstück über diesem Gelenk übersetzt…Da hier das MENTALE Sich-Einlassen auf die Monotonie der Zeichenarbeit als SELBSTPROGRAMMIERUNG zu umschreiben ist, sind die Fraktale Ergebnisse eines psychisch-automatischen Steuerungsprozesses. Dabei findet wohl ein komplettes Zusammenwirken mental-inhärenter Faktoren statt, an unbewusster Wahrnehmung und Orientierung, Konzentration, Anstrengung, an energetischen und neurophysiologischen Momenten.
Innerhalb des gesamten Oeuvres ergeben sich so Werkkomplexe mit Variationen bei der Wiederholung eines Grundmusters: DAS PROGRAMM ist die Auswahl aus einem Repertoire von prinzipiell Möglichem an Zeichnung, und die zeichnerische STRUKTUR ist OUTPUT der konkreten Programmidee und damit Widerspiegelung des SYSTEMS als Steuerungsmechanismus.
Kata B. Schommer selbst ordnet ihre Kunst zwischen „Zero und Computerprogramm“ ein. Die Zero-Künstler folgten und folgen bekanntlich u. a. dem Konzept, Licht, Raum, Bewegung und konstruktive Materialformung synchron zu bündeln. Dabei spielt einmal das Zusammenwirken von Natur und Technik eine bedeutsame Rolle, zum anderen die Aufgliederung des eingesetzten Materials in Momente der rhythmischen Wiederholung. Die Addition eines Grundzeichens (Dreieck) bis hin zur Bildung eines Geflechts, das sich über die gesamte Bildfläche ausbreitet, und daran anknüpfend die eben schon erwähnten Wiederholungen und Variationen eines Steuerungsprozesses in mehreren Werken, mithin das SERIELLE machen den Zero-Aspekt in Schommers Arbeiten aus.“
Quelle: Jürgen Raap im Katalog v. Kata B. Schommer 1996